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Zum Thema Arbeitsrecht
- Bei schwerwiegenden Verdachtsfällen: Ergebnisse von nicht anonymisierter Mitarbeiterbefragung können Kündigung nach sich ziehen
- Keine organisatorische Eigenständigkeit: Wahlvorstand scheitert mit Vorbereitung einer Betriebsratswahl
- Pflegebedürftige Angehörige: Keine Arbeitszeitverkürzung, wenn betriebliche Gründe nachvollziehbar dagegen sprechen
- Schwerbehinderte Arbeitnehmer: Kein Präventionsverfahren bei fachlich begründeter Kündigung innerhalb der Probezeit
- Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung: Hohe Abfindung nach sexistischem, übergriffigen und entwürdigenden Verhalten des Geschäftsführers
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) befasste sich mit der Frage, ob sich eine Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen auf Ergebnisse einer nicht anonymisierten Mitarbeiterbefragung stützen darf. Was sich auf den ersten Blick etwas bedrohlich liest, löst sich auf, wenn man den Sachverhalt genauer ins Auge fasst, bei dem auch das Machtgefüge in Betrieben eine Rolle spielt.
Ein langjähriger Schichtführer stand im Verdacht, Betriebsmaterial für private Zwecke genutzt und Kollegen während der Arbeitszeit zu privaten Arbeiten gedrängt zu haben. Nach Darstellung des Unternehmens nutzte er seine Stellung aus, um andere unter Druck zu setzen - beispielsweise um private Dinge aus Firmeneigentum für ihn anzufertigen. Um den Vorwürfen nachzugehen, verteilte der Arbeitgeber einen ausführlichen Fragebogen mit rund 150 Fragen an alle Beschäftigten. Abgefragt wurden Beobachtungen zu Arbeitsabläufen, möglichen Pflichtverstößen und dem Verhalten des Schichtführers. Die Antworten waren nicht anonymisiert. Zwar wurde der Betriebsrat über die Maßnahme informiert, seine ausdrückliche Zustimmung lag jedoch nicht vor. Der Schichtführer empfand die Befragung schließlich als Angriff auf seine Person und erklärte, sein Ruf sei beschädigt und er fühle sich in seiner Würde verletzt. Er hielt die Maßnahme für überzogen, unverhältnismäßig und rechtlich unzulässig. Außerdem kritisierte er, dass der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei.
Das LAG sah dies anders und kam zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung durchaus wirksam war. Mehrere Beschäftigte hatten bestätigt, dass der Schichtführer sie zu privaten Arbeiten gedrängt hatte und dafür Betriebsmaterial nutzte. Durch die Kombination aus Pflichtverletzungen und Vorgesetztenrolle war das Vertrauen in ihn dauerhaft zerstört. Damit lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch vor. Besonders wichtig war die Einschätzung des Gerichts zur Befragung: Diese sei rechtlich zulässig gewesen - auch wenn die Antworten nicht anonymisiert erfolgten. Entscheidend sei gewesen, dass sie einem konkreten Verdacht nachging und verhältnismäßig war. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz sei eine solche Maßnahme im Rahmen der Aufklärung erlaubt. Auch seien die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt worden, so dass die Befragung ohne dessen Zustimmung zulässig war.
Hinweis: Arbeitgeber dürfen bei schwerwiegenden Verdachtsfällen auch Befragungen im Betrieb durchführen. Wichtig ist, dass die Maßnahme verhältnismäßig bleibt und sich auf einen konkreten Vorwurf bezieht. So kann eine Kündigung rechtlich wirksam abgesichert werden.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.01.2025 - 2 SLa 31/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Betriebsräte sind ein scharfes Arbeitnehmerschwert, dem sich Arbeitgeber stellen müssen, um Rechte der Belegschaft zu wahren. Für deren Gründung müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Das Arbeitsgericht Köln (ArbG) befasste sich kürzlich damit, ob ein Wahlvorstand im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Informationen und Unterstützung für eine Betriebsratswahl hat.
Eine Fluggesellschaft mit Sitz in Malta betrieb am Flughafen Köln/Bonn einen sogenannten "Basestandort", an dem eine Gruppe von Beschäftigten eingesetzt war. Ein Wahlvorstand wollte dort einen Betriebsrat gründen und verlangte von seiner Arbeitgeberin Informationen und Materialien, um die Wahl entsprechend vorzubereiten. Diese verweigerte jedoch die Forderungen des Wahlvorstands und berief sich dabei darauf, dass der Standort überhaupt keine eigenständige betriebliche Einheit darstelle.
Das ArbG musste nun prüfen, ob an der Behauptung der Arbeitgeberin etwas dran sei. Dabei kam es schließlich auch zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen eigenen Betriebsrat nicht vorlagen. Die Beschäftigten waren organisatorisch eng mit der Zentrale im Ausland verbunden. Vor Ort gab es hingegen keine ausreichende Eigenständigkeit, die eine Betriebsratswahl rechtfertigen konnte. Die Tätigkeiten am Flughafen bezogen sich ausschließlich auf luftverkehrsrechtliche Aufgaben wie Flugabfertigung und Einsatzplanung. Solche Aufgaben genügten nach Ansicht des ArbG nicht, um eine betriebsratsfähige Einheit zu begründen. Zudem stellte das Gericht klar, dass ein Hauptbetrieb im Inland fehlte, an den die Base hätte angebunden werden können. Für die Bildung eines Betriebsrats sei eine solche organisatorische Struktur notwendig. Zudem stellte das Gericht fest, dass keine besondere Eilbedürftigkeit vorlag. Der Wahlvorstand hatte seinerseits bereits erklärt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. In dieser Situation sah das Gericht keinen Grund, im Wege einer einstweiligen Verfügung vorläufige Rechte zuzusprechen. Ein Abwarten sei zumutbar, da keine gravierenden Nachteile drohten. Damit wurde der Antrag des Wahlvorstands zurückgewiesen.
Hinweis: Ein Standort ist nur dann betriebsratsfähig, wenn er ausreichend organisatorisch selbständig ist. Fehlt diese Voraussetzung, kann dort kein Betriebsrat gewählt werden. Eilrechtsschutz kommt nur in Betracht, wenn eine sofortige Entscheidung unbedingt notwendig ist.
Quelle: ArbG Köln, Beschl. v. 16.07.2025 - 18 BVGa 9/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer sich der Herausforderung stellen will, Angehörige zu pflegen, hofft oft auf Möglichkeiten, seine Arbeitszeiten zu reduzieren. Doch nicht jedem Unternehmen und nicht bei jedem Aufgabenfeld ist eine solche Arbeitszeitverkürzung möglich. Wann ein Arbeitgeber die Reduzierung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers wegen Pflege eines seiner Angehörigen daher ablehnen darf, musste das Arbeitsgericht Suhl (ArbG) entscheiden.
Ein Außendienstmitarbeiter betreute Kunden in Ost- sowie Süddeutschland und arbeitete normalerweise vier Tage vor Ort und einen Tag im Homeoffice. Anfang März 2024 beantragte er eine Reduzierung seiner Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden pro Woche, verteilt auf drei Tage, um seine Eltern mit Pflegegrad 3 zu pflegen. Der Arbeitgeber schaltete daraufhin eine interne und externe Stellenausschreibung für die freiwerdende Teilzeitstelle. Nach einem Monat ohne Bewerber lehnte er den Antrag seines Außenmitarbeiters schriftlich ab. Daher war es nun am Gericht zu prüfen, ob der Antrag wegen dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden durfte.
Das ArbG entschied, dass die Ablehnung in diesem Fall durchaus berechtigt gewesen war. Die Aufgaben des Mitarbeiters konnten schlichtweg nicht aufgeteilt werden, da die Arbeitszeit nicht zum Organisationsplan passte und kein Ersatz durch vorhandene oder neue Mitarbeiter möglich war. Die wenigen Kollegen konnten die Außendiensttermine mit Übernachtungen nicht übernehmen, neue Teilzeitkräfte fanden sich nicht und alternative freie Stellen waren für den Außendienstler einfach nicht geeignet. Das Gericht wies darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht prüfen musste, ob Kundenbesuche per Videokonferenz möglich seien. Die Gestaltung der Vertriebsstruktur unterliege schließlich der unternehmerischen Freiheit, und Ersatzkräfte aus anderen Unternehmensteilen müssten nicht berücksichtigt werden. Auch formell war die Ablehnung rechtzeitig erfolgt, obwohl die Stellenausschreibung noch lief.
Hinweis: Eine Reduzierung der Arbeitszeit wegen Pflege kann abgelehnt werden, sobald dringende betriebliche Gründe vorliegen. Dazu zählt vor allem, dass kein Ersatz möglich ist. Die betriebliche Situation sollte dabei stets sorgfältig dokumentiert werden, um den Ablehnungsgrund nachvollziehbar darzustellen.
Quelle: ArbG Suhl, Urt. v. 07.04.2025 - 5 Ca 1138/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen gut begründete Sonderrechte, wie etwa einen gesonderten Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und auch eine Schwerbehindertenvertretung, sobald regelmäßig wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen im Betrieb beschäftigt sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich mit der Frage befassen, ob schwerbehinderte Menschen vor einer Kündigung auch in ihrer Probezeit durch ein besonderes Verfahren geschützt sind.
Ein Mann mit einem Grad der Behinderung von 80 begann Anfang 2023 eine Arbeit als Leiter der Haus- und Betriebstechnik in einem Betrieb ohne Betriebsrat und ohne Schwerbehindertenvertretung. Von Beginn an war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Nach drei Monaten beendete der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, weil er den Mann für fachlich ungeeignet hielt, was auch dem Integrationsamt angezeigt wurde. Der Mann wollte die Kündigung nicht hinnehmen und erhob Klage, denn er meinte, dass sein Arbeitgeber vor der Kündigung ein Präventionsverfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch hätte durchführen müssen. Zudem sei ihm kein Arbeitsplatz angeboten worden, der besser auf seine Behinderung zugeschnitten gewesen wäre.
Das BAG stellte jedoch klar, dass ein Präventionsverfahren nur verlangt werden könne, wenn das Kündigungsschutzgesetz bereits greife - das aber wäre erst nach sechs Monaten der Fall gewesen, denn die Probezeit gehört in die sogenannte Wartezeit. Deshalb musste der Arbeitgeber innerhalb dieser Phase kein Präventionsverfahren einleiten. Auch ein behindertengerechter Arbeitsplatz musste nicht angeboten werden, solange die Kündigung nicht wegen der Behinderung ausgesprochen wurde. Entscheidend war vielmehr, dass die Kündigung auf fachlichen Gründen beruhte und nicht auf der Schwerbehinderung des Mannes. Das BAG betonte zudem, dass eine gegenteilige frühere Entscheidung eines Landesarbeitsgerichts mit dieser Rechtslage nicht vereinbar war. Damit bestätigte das BAG, dass Kündigungen in der Probezeit auch bei schwerbehinderten Beschäftigten möglich waren, ohne dass zuvor ein besonderes Verfahren eingeleitet werden musste.
Hinweis: Ein Präventionsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, wenn das Kündigungsschutzgesetz gegolten hätte. In der Probezeit bestand diese Pflicht hier nicht.
Quelle: BAG, Urt. v. 03.04.2025 - 2 AZR 178/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Dass der Missbrauch der eigenen Machtstellung Vorgesetzte richtig teuer zu stehen kommen kann, zeigt dieser Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG) landete. Auslöser dafür waren zuerst die wiederholten sexistischen Beleidigungen eines Geschäftsführers einer Mitarbeiterin gegenüber und die Tatsache, dass eine Weiterbeschäftigung aufgrund dessen völlig indiskutabel erschien.
Eine langjährige Mitarbeiterin eines Unternehmens hatte sich gegen eine Kündigung gewehrt. Im Laufe des Verfahrens stellte sich heraus, dass der Geschäftsführer sie mehrfach sexistisch und respektlos beleidigt hatte. Die Worte waren derart verletzend, dass es für die Frau unmöglich war, weiterhin in der Firma zu arbeiten. Schon das Arbeitsgericht Bonn (ArbG) entschied, dass der Arbeitgeber keinen rechtmäßigen Grund für die Kündigung nennen konnte. Gleichzeitig hielt das ArbG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar. Deshalb wurde das Arbeitsverhältnis aufgelöst und die Frau erhielt eine Abfindung von 70.000 EUR. Der Arbeitgeber war mit dieser Entscheidung jedoch nicht einverstanden, da er meinte, die Summe sei übertrieben hoch und nicht gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung hätte die Frau durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie eigentlich bereit gewesen wäre, im Unternehmen zu bleiben. Er legte daher Berufung ein und der Fall landete beim LAG.
Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung der Vorinstanz. Es stellte klar, dass die Aussagen des Geschäftsführers weit über das hinausgingen, was im Berufsleben akzeptabel war. Eine Weiterarbeit war der Frau unter diesen Umständen nicht zuzumuten. Auch die Höhe der Abfindung hielt das Gericht grundsätzlich für angemessen. Besonders schwer wog zudem, dass die Frau durch das Verhalten eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hatte. Außerdem war die Kündigung nicht rechtmäßig, sondern sozialwidrig. Das Gericht erkannte an, dass der Geschäftsführer seine Machtposition gezielt eingesetzt hatte, um Druck auf die Frau auszuüben und sie aus dem Unternehmen zu drängen. Am Ende reduzierte das Gericht die Abfindung nur geringfügig und sprach der Frau 68.153,80 EUR zu.
Hinweis: Sexistische oder respektlose Beleidigungen durch Vorgesetzte können nicht nur das Arbeitsklima zerstören, sondern auch erhebliche finanzielle Folgen für den Arbeitgeber nach sich ziehen. Eine Abfindung kann dann besonders hoch ausfallen, wenn die betroffene Person stark unter den Angriffen zu leiden hatte. Gerichte prüfen dabei auch, ob Vorgesetzte ihre Macht bewusst missbrauchten.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 09.07.2025 - 4 SLa 97/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Elterliche Sorge: Gemeinsam geschlossener Schulvertrag kann auch nach Scheidung nur gemeinsam gekündigt werden
- Lückenhafte Umgangsvereinbarung: Auch teils nicht vollstreckbare einvernehmliche Einigung kann gerichtlich gebilligt werden
- Umgangsrecht: Kindeswohlgefährdung rechtfertigt begleiteten Umgang
- Verfahrensrecht: Akteneinsicht muss rechtzeitig beantragt oder aber das Interesse daran im Nachgang begründet werden
- Wirkungsloser Beschluss: Möglichkeit der Berichtigung von Fehlern hat in Entscheidungen ihre Grenzen
Wenn man sich scheiden lässt, bleibt die Verbundenheit in manchen Bereichen bestehen - so auch beim Schulvertrag der Kinder. Hat man den als noch verheiratetes Paar geschlossen, kann man ihn nach einer Scheidung auch nur gemeinsam kündigen. Ob sich daran etwas ändert, wenn ein Elternteil befürchtet, den Vertragspflichten nicht mehr ausreichend nachkommen zu können, musste das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) abwägen.
Noch verheiratet und in Ausübung der gemeinsamen Sorge hatten Eltern im eigenen Namen Schulverträge mit einer Privatschule abgeschlossen. Dann ließen sich die Eltern scheiden. Die Verantwortung für Schulangelegenheiten der beiden Kinder wurde gerichtlich dem Vater zur alleinigen Ausübung übertragen. Die Mutter wollte die beiden Schulverträge beenden, der Vater lehnte dies jedoch ab. Also beantragte die Mutter gerichtlich, dass die Verträge aufgelöst werden bzw. dass sie aus den Verträgen entlassen wird. Die Mutter wollte die Kinder gerne in eine Regelschule geben. Allgemein sei sie mit der Schule unzufrieden, auch die Kosten erdrückten sie. Der Vater und die Schule lehnten jedoch ab, die Mutter aus dem Vertrag zu entlassen. Der Vater befürchtete, dass man mit ihm allein keinen neuen Vertrag schließen werde, da die Schule befürchten könnte, er könnte die Kosten nicht alleine schultern.
Die Mutter scheiterte mit ihrem Einwand vor dem OLG. Sie habe schlichtweg keinen Anspruch auf Kündigung der Verträge. Sie müsse sich vielmehr mit dem Vater über deren Fortgeltung einigen. Sie müssen akzeptieren, hierbei als Gesamtschuldnerin verpflichtet zu sein, auch wenn sich das kostensteigernd für sie auswirkt. Wie die Eltern die Kosten unter sich aufteilen, haben sie unterhaltsrechtlich zu klären.
Hinweis: Verträge sind einzuhalten. Das gilt auch nach einer Scheidung. Die Eltern müssen hier eine gemeinsame Basis finden oder eben den Vertrag wie geschlossen erfüllen.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.04.2025 - 10 UF 1180/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Auf allen Rechtsgebieten kommt es immer wieder zu Streit, weil Vereinbartes nicht konkret genug ausgestaltet wurde. Im hier behandelten Familienrechtsfall fehlte es bei einer Umgangsvereinbarung an einem klaren - auf den ersten Blick in Sachen Umgang unbedingt notwendigen - Detail. Doch dann warf das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) im dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren das Kindeswohl in die Waagschale, und das zählt bekanntlich viel.
Vater und Mutter stritten im Beschwerdeverfahren über die Regelung des Umgangs des Vaters mit seiner siebenjährigen Tochter. Das Familiengericht hatte den Umgang des Vaters mit dem Kind für rund acht Monate ausgeschlossen. Dagegen richtete sich dessen Beschwerde. Im Anhörungstermin zur Beschwerde schlossen die Eltern schließlich eine Vereinbarung zum weiteren Umgang. Teilweise enthielt diese Vereinbarung aber keinen vollstreckbaren Inhalt; zum Beispiel fehlten ausdrücklich geregelte Umgangszeiten. Und besonders diese sollten grundsätzlich festgelegt werden, wenn man schon um den Umgang mit dem gemeinsamen Kind streitet. Oder etwa nicht?
Das OLG nahm die getroffene Einigung dennoch an und beendete damit das Beschwerdeverfahren. Der gerichtlichen Billigung stand nicht entgegen, dass die Vereinbarung teilweise keinen vollstreckbaren Inhalt hatte, denn im Umgangsrecht ist die gesetzliche Voraussetzung für die Billigung lediglich eine Kindeswohlprüfung - und eben jenes Kindeswohl wurde durch die getroffene Regelung nicht gefährdet. Es sei zudem anzunehmen, dass die Eltern sich über die Zeiten des Umgangs gesondert einigen, da das Jugendamt die Anbahnung der persönlichen Umgangskontakte weiterhin leiten werde.
Hinweis: Auch wenn das Gericht die Vereinbarung hier billigte, sollten Sie selbst Einigungen, die einvernehmlich zustande kommen, immer so konkret und detailliert wie möglich treffen. Erst dann können Sie das Vereinbarte im Streitfall auch einfach vollstrecken und/oder einklagen. Ohne konkrete Regelung ist dies nicht möglich. Sie können dem Vollstreckungsbeamten dann ja keinen gezielten Auftrag erteilen; er weiß dann schließlich nicht, was er vollstrecken soll.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.07.2025 - 5 UF 171/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Familien und deren Umgang mit ihren Kindern sind grundrechtlich geschützt. Aus diesem Grund können begleitete Umgänge grundsätzlich auch nur für sechs Monate angeordnet werden. Begleitete Umgänge für eine längere Zeit oder gar unbefristet sind nur bei vorliegender Kindeswohlgefährdung möglich. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste prüfen, ob diese Gefährdung zutrifft und vor allem nicht in absehbarer Zeit nachlassen werde.
Es ging um den Umgang zweier Kinder - das eine neun, das andere sechs Jahre alt. Die ukrainischen Eltern wurden in der Ukraine bereits geschieden. Die Mutter flüchtete schließlich vor dem Krieg mit den Kindern nach Deutschland. Der Vater hatte dem zugestimmt, blieb selbst aber in der Ukraine. Erst zwei Jahre später kam auch er nach Deutschland, nachdem er in der Zwischenzeit telefonisch Kontakt mit seinen Kindern gehalten hatte. Es entbrannte schließlich Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge der beiden. Die Mutter hatte Angst, dass der Vater die Kinder in die Ukraine rückführen wolle, zudem boykottierte er aus Glaubensgründen nötige Schutzimpfungen der Kinder. Im Umgangsverfahren einigte man sich schließlich darauf, dass der Vater die Kinder wöchentlich sehen dürfe - dies jedoch stets in Anwesenheit der Kindesmutter. Der Vater wollte hingegen einen unbegleiteten Umgang erreichen, zog dafür abermals vor Gericht und konnte dort immerhin einen Teilerfolg verbuchen.
Das OLG entschied, dass die begleiteten Umgänge zu befristen sind und für die Folgezeit unbegleitete Umgänge geregelt werden sollen. Die Anordnung begleiteter Umgänge sei zwar zu Recht erfolgt - diese seien aber zu befristen. Unbefristete Begleitung kann bei Kindeswohlgefährdung angeordnet werden, beispielsweise wenn sich Kinder und Eltern total entfremdet haben. Ist aber bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung absehbar, dass im Anschluss an die Umgangsbegleitung unbegleitete Umgänge in Betracht kommen, sind die Begleittermine zu befristen. Zudem ist eine Anschlussregel hinsichtlich des unbegleiteten Umgangs zu treffen. Andernfalls würde nur eine Teilentscheidung getroffen werden, was in Umgangssachen aber nicht zulässig ist. Sollte sich die der Entscheidung zugrundeliegende Prognose - unbegleitete wöchentliche Umgänge ohne Übernachtung - als falsch erweisen, steht den Eltern dann immer noch ein Abänderungsverfahren offen.
Hinweis: Wer eine dauerhafte Begleitung erreichen möchte, muss eine konkrete Kindeswohlgefährdung vortragen können. Ist dies nicht glaubhaft möglich, wird eine Begleitung stets nur befristet angeordnet.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.07.2025 - 6 UF 79/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Wird der Umgang gerichtlich geregelt, haben die Verfahrensbeteiligten ein Akteneinsichtsrecht. Ist das Umgangsverfahren allerdings abgeschlossen, besteht das Recht auf Akteneinsicht nur, wenn von dem jeweiligen Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Auf eine derartige Begründung einer Mutter zählte im Folgenden auch das Amtsgericht Hof (AG).
Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes haben sich scheiden lassen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist bei der Kindsmutter. Der beauftragte Sachverständige im Umgangsverfahren hatte telefonisch mitgeteilt, dass er den Umgangsausschluss des Vater empfehle. Das AG hat daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Kindsvaters mit dem Kind unter Anordnung von Schutzmaßnahmen ausgesetzt. Dieser Beschluss wurde der Kindsmutter zugestellt. Erst nach Abschluss des Verfahrens hat der Anwalt der Mutter die Akteneinsicht beantragt. Das Gericht wies ihn jedoch darauf hin, dass das Verfahren abgeschlossen sei und er dementsprechend ein berechtigtes Interesse darlegen müsse. Der Anwalt tat dies nicht - der Antrag auf Akteneinsicht wurde abgelehnt.
Ohne berechtigtes Interesse keine Akteneinsicht - so könnte man die Entscheidung des AG salopp zusammenfassen. Sobald ein Verfahren abgeschlossen ist, muss ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht vorgetragen werden. Ein solches berechtigtes Interesse liegt etwa dann vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten berührt werden können und die Kenntnis über den Akteninhalt zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Da hier nichts Derartiges vorgetragen wurde, musste der Antrag abgelehnt werden.
Hinweis: Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen Verfahrens an der Akteneinsicht wird von den Gerichten meist bejaht und die Akteneinsicht gewährt. Wichtig ist, dass ein Interesse wenigstens benannt wird. Hohe Anforderungen werden hier nicht gestellt. Wenn wie hier gar nichts vorgetragen wird, wird der Antrag abgelehnt. Machen Sie sich also die Mühe und benennen Sie ein Interesse oder prüfen Sie, ob Ihr Rechtsbeistand das getan hat!
Quelle: AG Hof, Beschl. v. 18.08.2025 - 001 F 648/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Da irren menschlich ist, kommen auch bei Gericht Zahlendreher vor oder wird ein Name falsch geschrieben. Sind diese Fehler offensichtlich, kann man sie schnell und unbürokratisch berichtigen. Gibt es aber Fehler, über die man nicht einfach hinwegsehen kann, um sie "eins, fix, drei" zu korrigieren, machen diese einen gerichtlichen Beschluss schnell unwirksam. Ob auch in diesem Fall das Verfahren neu aufgerollt werden musste, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Ein Jugendamt klagte auf Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung für ein Kind, das bei seinem Vater lebte, der somit auch das Kindergeld bezog. Der Antrag des Jugendamts richtete sich gegen die Mutter. Das Gericht setzte aber aus unerfindlichen Gründen auf die klassische Rollenverteilung und den Unterhalt daher gegen den Vater statt gegen die Mutter fest und stellte diesen Beschluss auch nur an ihn zu. Der Vater staunte da natürlich nicht schlecht. Die daraufhin erfolgte Bitte des Jugendamts um Korrektur sah eine Rechtspflegerin ganz pragmatisch und tauschte schlicht und ergreifend den Vater gegen die Mutter aus - nur namentlich, versteht sich. Dagegen wandte sich dann jedoch die Mutter im Wege der Rechtsbeschwerde an das OLG. In einem Berichtigungsbeschluss können Verfahrensbeteiligte nicht einfach ausgetauscht werden. Der ursprüngliche Beschluss sei ihr auch niemals zugestellt worden.
Und sie behielt Recht. Schon der erste Beschluss an den Vater sei wirkungslos gewesen, da gegen diesen gar kein Verfahren rechtshängig war - das Jugendamt hatte sich schließlich gegen die Mutter gerichtet. Dieser wurde der Beschluss aber nie zugestellt. Diese Zustellung ist für den Unterhaltsfestsetzungsantrag aber eine notwendige Voraussetzung für die Rechtshängigkeit. Auch die später gegen die Mutter ergangene Entscheidung ist wirkungslos. Die Grenzen einer möglichen Berichtigung sind hier überschritten worden. Hier wurden keine Fehler korrigiert, sondern Personen ausgetauscht. Eine (rechtlich) unbeteiligte Person hat man so zur Verfahrensbeteiligten gemacht. Daher sei nun eine Fortsetzung des Verfahrens erforderlich. Mit dieser Begründung verfügte das OLG die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Hinweis: Auch Fehler im Namen einer Person können verbessert werden, solange klar bleibt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Verwechselt das Gericht aber Personen, dann muss es den Fall neu aufrollen, eventuell Prozesshandlungen nachholen. Es kann nicht einfach Entscheidungen "umschreiben".
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.08.2025 - 6 UF 146/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Zum Thema Mietrecht
- Eigenbedarfskündigung: Wer sich auf die Härtefallregelung stützen möchte, muss den Härtefall belegen können
- Eigentümergemeinschaft: Inhaltliche Änderung im Umlaufbeschluss erfordert statt einfacher Mehrheit die Zustimmung aller
- Hausgeldzahlung: Streit um Rückstände in der Wohnungseigentümergemeinschaft
- Unterschriebenes Rückgabeprotokoll: Mieterin kann sich im Nachhinein nicht auf verschwiegene Mängel berufen und Minderung fordern
- Zulässige Wuchshöhe: Bäume und Sträucher werden von dem Punkt aus gemessen, an dem sie aus der Erde treten
Die Eigenbedarfskündigung schwebt wie ein Damoklesschwert über Wohnraummietern. Zwar wird auch immer wieder eine derartige Kündigung gerichtlich abgewehrt. Doch wie der Fall vor dem Amtsgericht Brandenburg (AG) beweist, hat der Eigentümer erstens die Entscheidungsbefugnis über seinen Wohnbedarf und der Mieter zweitens eine nicht unbeachtliche Nachweispflicht, was die Geltendmachung der Härtefallregelung nach § 574 Bürgerliches Gesetzbuch angeht.
Der Vermieter kündigte in diesem Fall seiner Mieterin die Wohnung, weil seine schwerkranke Schwester dort einziehen sollte. Die Mieterin widersprach der Kündigung und erklärte, ein Auszug wäre für sie unzumutbar. Sie sei körperlich und psychisch krank, und ein Umzug könnte ihren Gesundheitszustand stark verschlechtern oder sogar zu Suizidgedanken führen. Der Vermieter argumentierte, dass seine Schwester die Wohnung dringend benötige, da sie sich seit ihrer Erkrankung nicht mehr in ihrer bisherigen Wohnung aufhalten könne und auf die neue Wohnung warte.
Das AG entschied, dass die Räumung der Wohnung zulässig war. Die Kündigung war wirksam, der Eigenbedarf nachvollziehbar und nachweislich vorhanden. Das Gericht prüfte dabei nicht, ob die Wohnung objektiv notwendig sei, sondern akzeptierte die Entscheidung des Eigentümers über den Wohnbedarf. Eine unzumutbare Härte lag zudem nicht vor, weil keine konkrete Verschlechterung der Gesundheit der Mieterin nachgewiesen wurde. Nur mögliche Depressionen oder Suizidgedanken reichten nicht aus, um die Interessen der Schwester zu überwiegen. Auch müsse die Mieterin die üblichen Nachteile eines Umzugs - wie finanzielle Belastungen - hinnehmen. Wichtig ist, dass ein Mieter nur dann eine Härte geltend machen kann, wenn er sich bereits ernsthaft und nachweislich um Ersatzwohnraum bemüht hat. Im vorliegenden Fall war das nicht geschehen.
Hinweis: Eigenbedarfskündigungen können auch bei schwerkranken Mietern durchgesetzt werden, wenn die Härte nicht konkret nachweisbar ist. Mieter sollten rechtzeitig nach einer Ersatzwohnung suchen, um eine solche Härte entsprechend geltend zu machen. Die Entscheidung des Eigentümers über den Wohnbedarf ist für das Gericht bindend.
Quelle: AG Brandenburg, Urt. v. 27.03.2025 - 30 C 99/23
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Mit einem Umlaufbeschluss werden Beschlüsse statt per Zusammenkunft der Beteiligten nur auf schriftlichem Weg gefasst. Das Amtsgericht Köln (AG) musste sich im hier behandelten Fall mit einem solchen Umlaufbeschluss in einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigen. Es ging dabei um die Bestellung von Mülltonnen und darum, ob ein Antrag im Umlaufverfahren einfach so geändert werden darf - und wenn ja, welcher Mehrheiten es dann bedarf, um Gültigkeit zu erlangen.
Ein Wohnungseigentümer wollte, dass im Umlaufverfahren über eine Wertstofftonne mit einer bestimmten Größe abgestimmt wird. Die Eigentümergemeinschaft hatte zuvor in einer Versammlung beschlossen, dass ein Umlaufbeschluss über drei 770-Liter-Container gefasst werden sollte. Die Verwalterin startete dann das Umlaufverfahren, setzte aber dabei eine 240-Liter-Tonne als neue Variante ein. Dieser Beschluss wurde mit Mehrheit angenommen - gegen die Stimmen der beiden Eigentümer, die nun klagten. Sie argumentierten, dass hier alle Eigentümer hätten zustimmen müssten, weil der neue Antrag nicht vom ursprünglichen Versammlungsbeschluss gedeckt war.
Das AG gab den klagenden Eigentümern recht und erklärte den Umlaufbeschluss für ungültig. Nach § 23 Wohnungseigentumsgesetz darf ein Umlaufbeschluss über einen konkreten Gegenstand nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden, sofern dieser Gegenstand genau dem entspricht, was zuvor beschlossen wurde. Wird der Inhalt geändert - wie hier das Fassungsvermögen der Mülltonne -, ist hingegen die Zustimmung aller Eigentümer nötig. Das Gericht stellte klar, dass die Verwalterin nicht einfach eine andere Variante auswählen darf. Entscheidend war, dass der ursprünglich beschlossene Antrag eine bestimmte Lösung vorsah und die neue Variante nicht durch diesen Beschluss gedeckt war. Damit sind Änderungen im Umlaufverfahren ohne Zustimmung aller Eigentümer nicht zulässig, selbst wenn die Mehrheit für die neue Lösung stimmt.
Hinweis: Ein Umlaufbeschluss muss sich genau an den zuvor gefassten Antrag halten. Ändert sich der Inhalt, braucht es die Zustimmung aller Eigentümer. Die Entscheidung zeigt, wie wichtig genaue Abstimmungsregeln in Eigentümergemeinschaften sind.
Quelle: AG Köln, Urt. v. 14.04.2025 - 215 C 57/24
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Viele Mieter träumen von der eigenen Immobilie. Dass auch diese nicht ohne Pflichten zu haben ist, was zwischenmenschliche Kooperation und vor allem auch das liebe Geld angeht, zeigt sich regelmäßig vor den Gerichten. Das Amtsgericht Dortmund (AG) musste sich mit Forderungen einer Eigentümergemeinschaft in Sachen Hausgeld zu beschäftigen - also dem anteiligen Beitrag jedes Eigentümers für laufende Betriebskosten sowie nicht umlegbare Nebenkosten wie Instandhaltungsrücklagen.
Der hier Beklagte gehörte zu einer Eigentümergemeinschaft, die rückwirkend für den Zeitraum von Januar 2023 bis Dezember 2024 Hausgeld forderte: Nach Abzug einer bereits geleisteten Zahlung sollte der Mann noch satte 42.144 EUR zahlen. Für den Mann ein nicht nachvollziehbarer Betrag. Doch in einer Eigentümerversammlung hatten die Eigentümer beschlossen, dass die Vorschüsse für das Jahr 2023 gültig und Unterschiede zwischen alten und neuen Vorschüssen zum Fälligkeitstermin zu zahlen sind, dass das monatliche Hausgeld bis zum dritten Werktag eines Monats auf das Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft überwiesen werden muss und dass gestundetes Hausgeld im Verzugsfall verfällt. Der Beklagte meinte hingegen, es seien ihm die Unterschiedsbeträge zwischen den alten und neuen Vorschüssen unklar und somit auch, wie die Zahlungen berechnet wurden. Zweitens sei ebenso unklar, ob das Gemeinschaftskonto wirklich auf die Eigentümer laufe. Und drittens brachte er vor, dass eine seiner Wohnungen inzwischen verkauft worden sei.
Das AG entschied dennoch, dass der Beklagte die geforderten 42.144 EUR zahlen muss. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung waren nach § 28 Wohnungseigentumsgesetz gültig und klar genug formuliert. Mithilfe der Einzelwirtschaftspläne seien die dem Beklagten "unklaren" Zahlbeträge genau nachvollziehbar; die Differenz zu früheren Beiträgen müsse daher nicht explizit im Beschluss stehen. Es spielte auch keine Rolle, dass das Gemeinschaftskonto kein spezielles Eigenkonto war. Dass die Zahlungen auch bar möglich seien, entkräftet dieses Argument. Auch die rückwirkende Festlegung der Vorschüsse war nach Ansicht des AG zulässig, da die Bedingung erfüllt wurde, einen derartigen Beschluss noch im laufenden Wirtschaftsjahr zu fassen. Der Verkauf einer Wohnung änderte auch nichts am geforderten Gesamtbetrag, da der Beklagte zum Zeitpunkt der Fälligkeit noch im Grundbuch stand. Ein Zurückbehaltungsrecht bestand daher nicht.
Hinweis: Eigentümer müssen Hausgeld fristgerecht zahlen, auch wenn Unklarheiten zu den Konten bestehen. Rückwirkende Vorschüsse sind im laufenden Jahr erlaubt. Verkauft ein Eigentümer seine Wohnung, bleibt er bis zur Grundbucheintragung zahlungspflichtig.
Quelle: AG Dortmund, Urt. v. 26.06.2025 - 514 C 112/24
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Auf jedem Rechtsgebiet gibt es Fälle, die sich darum drehen, was eine Unterschrift unter welchen Voraussetzungen wert sei - sprich, wie bindend sie ist. Hier ging um die Frage, ob eine Mieterin nachträglich Mängel geltend machen kann, obwohl sie ein Rückgabeprotokoll ohne derlei Erwähnung unterschrieben hatte. Das Amtsgericht Hanau (AG) hat dazu eine eindeutige Meinung.
Die Mieterin hatte beim Auszug ein Protokoll unterschrieben, in dem die Wohnung als mangelfrei beschrieben wurde. Später behauptete sie jedoch, die Wohnung sei während der Mietzeit mangelhaft gewesen, und wollte die Miete mindern. Die Vermieter forderten ihrerseits während des Prozesses die ausstehenden Mietzahlungen ein.
Das AG entschied im Sinne der Vermieter, dass die Mieterin die Miete nachzahlen müsse. Schließlich legte das unterschriebene Protokoll den Zustand der Wohnung eindeutig fest. Ein Rückgabeprotokoll diene dazu, den Zustand bei Ein- oder Auszug verbindlich zu dokumentieren, damit später keine Partei etwas anderes behaupten könne. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Mieterin die Mängel aus Sorge nicht angegeben habe, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden. Auch frühere Mängel könnten hier nicht geltend gemacht werden, weil die Mieterin den Vermietern widersprochen hatte, dass überhaupt Mängel behoben worden seien. Der Logik nach wären diese dann ja noch vorhanden, was das Protokoll jedoch nicht darstellte. Damit war das Protokoll bindend und zeigte einen mangelfreien Zustand bei Auszug. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Hinweis: Ein unterschriebenes Rückgabeprotokoll gilt als verbindlich. Mieter sollten Mängel vor der Unterschrift sorgfältig prüfen und dokumentieren. Spätere Mietminderungen sind meist ausgeschlossen, wenn das Protokoll korrekt erstellt wurde.
Quelle: AG Hanau, Urt. v. 11.04.2025 - 32 C 37/24
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Wie die zulässige Höhe von Bäumen und Sträuchern an der Grenze zu einem Nachbargrundstück gemessen wird, musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Im Mittelpunkt stand ein Grundstücksstreit zwischen Nachbarn in Baden-Württemberg, bei dem die Gerichte zuerst unterschiedlicher Meinung waren. Die zentrale Frage war hierbei, welchen Einfluss die Grundstücksaufschüttung um 1 m auf die zulässige Pflanzenhöhe hat.
Die Parteien vor dem BGH waren Nachbarn. Davon hat die eine Seite ihr Grundstück beim Hausbau 1994 um einen Meter aufgeschüttet und an der Grenze einen portugiesischen Lorbeerbaum, einen Fliederbaum, eine Kreppmyrte und einen Rosenstrauch gedeihen lassen. Die Nachbarn verlangten nun, dass diese Pflanzen jährlich zwischen Oktober und Februar auf bestimmte Höhen - gemessen vom Boden ihres eigenen Grundstücks aus - gekürzt werden. Das Amtsgericht (AG) gab dem Wunsch teilweise Recht. Es entschied, dass Lorbeer, Flieder und Myrte bis auf 1,80 m zurückzuschneiden seien, und zwar vom Niveau aus gemessen, von dem die Gewächse aus der Erde treten. Der Rosenstrauch dürfe ungekürzt sein weiteres Dasein fristen. Das nachfolgende Landgericht (LG) änderte dann aber die Kürzungsmaße, da es von der Grundstücksfläche der Nachbarn aus maß, das ja rund 1 m tiefer lag.
Der BGH hob das Urteil des LG auf. Es entschied, dass die Höhe ab dem Punkt zu messen ist, an dem die Pflanzen aus dem Boden treten - also so, wie zuerst vom AG bewertet. Dabei galt: Die zulässige Höhe richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Landesnachbarrechts Baden-Württembergs, also dem Land, in dem der Fall seinen Anfang nahm. Demnach dürfen Bäume und Sträucher je nach Abstand zur Grundstücksgrenze bestimmte Höhen nicht überschreiten - bei 2 m Abstand maximal 1,80 m, bei 3 m Abstand bis 4 m. Die künstliche Aufschüttung des Grundstücks spiele dabei nur eine Rolle, wenn sie gleichzeitig mit der Pflanzung erfolgt ist, um die Höhenbegrenzung zu umgehen. Das war hier jedoch nicht der Fall gewesen. Daher mussten die Pflanzen auf die gesetzlich erlaubte Höhe zurückgeschnitten werden - und zwar gemessen vom ursprünglichen Bodenaustritt.
Hinweis: Die zulässige Höhe von Pflanzen an Nachbargrenzen wird grundsätzlich von der Stelle aus gemessen, an der sie aus dem Boden wachsen. Künstliche Aufschüttungen, die später erfolgten, ändern dies nicht. Der Schnitt darf nur in den vorgeschriebenen Zeiten erfolgen.
Quelle: BGH, Urt. v. 27.06.2025 - V ZR 180/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Zum Thema Sonstiges
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Manchmal müssen Tiere aus Tierschutzgründen in Obhut genommen werden. Wenn dies angeblich einem behördlichen Irrtum unterliegt, darf das nicht nur behauptet, sondern muss auch bewiesen werden. Denn dass auch bei Tieren der Eigentumsnachweis unerlässlich ist, beweist dieser Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG) eindringlich.
Eine Behörde nahm im März 2022 aus dem Haus eines Mannes drei Katzen in Gewahrsam und übergab sie an ein Tierheim. Hintergrund war, dass im Haus eine Frau lebte, die aus Tierschutzgründen keine Katzen halten durfte. Bei einer Kontrolle wurden die Katzen und ihre Utensilien wie Katzentoiletten, Futternäpfe, Kratzbaum, Medikamente, Transportboxen und Tierarztrechnungen im Stockwerk eben dieser Frau gefunden. Der Mann gab dennoch an, Eigentümer der Katzen zu sein, konnte aber die Namen und den Gesundheitszustand der Tiere nur schwerlich angeben sowie lediglich vage Angaben zum Erwerb machen. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, gegen das Tierheim auf Herausgabe der Katzen zu klagen.
Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil der Mann keinen Eigentumsnachweis erbringen konnte. Auch die Aussagen der Mitbewohnerin überzeugten das Gericht nicht. Gegen das Urteil legte der Mann Berufung ein, zog diese jedoch nach einem Hinweis des LG zurück. Damit wurde das Urteil rechtskräftig. Eine Prüfung des Urteils zeigte, dass die Katzen der Mitbewohnerin gehörten und nicht dem Kläger. Da keine schriftlichen Nachweise oder konkreten Angaben zum Erwerb vorlagen, konnte der Mann seine Eigentümerstellung nicht beweisen. Zudem war das Eigentum an den Katzen durch die behördliche Anordnung zur Veräußerung erloschen. Nach dem Tierschutzgesetz überträgt eine solche Anordnung die rechtliche Befugnis auf die Behörde, der frühere Halter muss die Maßnahme dulden.
Hinweis: Wer Tiere besitzt, sollte Kaufbelege, Verträge oder konkrete Angaben zum Erwerb aufbewahren. Ohne Nachweise können Behörden Tiere in Obhut nehmen. Eine Duldungspflicht entsteht, wenn eine behördliche Anordnung zur Weitergabe erfolgt.
Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.05.2025 - 15 S 107/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Die Liebe verhält sich wie das Leben selbst bekanntermaßen unberechenbar. Wer sich in einem Onlineportal registriert hat, um die Liebe des Lebens zu finden, ist nicht davor gefeit, leer auszugehen oder gar doch schon schneller als erwartet von Amors Pfeil getroffen zu werden. Doch was dann? Vor kurzem hat sich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigt, ob Kunden eines Onlinepartnervermittlungsportals jederzeit kündigen können.
Die Beklagte betreibt ein Partnerportal, bei dem Nutzer zwischen einer kostenlosen Basismitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premiummitgliedschaft wählen konnten. Bei der Premiummitgliedschaft werden Verträge mit Erstlaufzeiten von sechs Monaten (479,40 EUR; 79,90 EUR monatlich), zwölf Monaten (790,80 EUR; 65,90 EUR monatlich) oder 24 Monaten (1.101,60 EUR; 45,90 EUR monatlich) angeboten. Werde nicht rechtzeitig gekündigt, verlängere sich der Vertrag automatisch - und zwar um ganze zwölf Monate. Eine Verbraucherschutzorganisation klagte gegen diese Klauseln. Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entschied in dieser Sache, dass Kunden nicht jederzeit kündigen können und die Vertragsverlängerung bei 24-monatigen Verträgen durchaus zulässig sei. Bei den sechs- und zwölfmonatigen Verträgen sah das OLG hingegen die Verlängerungsklauseln als unwirksam an. Beide Parteien legten Revision beim BGH ein.
Der BGH bestätigte, dass das Kündigungsrecht nach § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier nicht gelte, weil die Leistung der Plattform überwiegend aus einer Onlinedatenbank besteht und die Partnersuche automatisiert abläuft. Eine Pauschalregelung für ein jederzeitiges Kündigungsrecht setze eine persönliche Beziehung voraus, und eben diese bestand hier nicht. Die Vertragsverlängerung bei sechsmonatigen Verträgen benachteiligte die Kunden hingegen unangemessen, weil die Verlängerung die Kunden mit Kosten von gut 791 EUR statt einst knapp 480 EUR gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB finanziell benachteiligte. Bei den Premiummodellen mit den Vertragslaufzeiten von zwölf und 24 Monaten sah der BGH jedoch keine unangemessene Benachteiligung.
Hinweis: Onlineverträge können spezielle Kündigungsregeln enthalten. Wer unsicher ist, sollte die AGB genau prüfen und Kündigungsfristen beachten. Automatisierte Leistungen begründen kein jederzeitiges Kündigungsrecht.
Quellen: BGH, Urt. v. 17.07.2025 - III ZR 388/23
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Sicher erscheint es recht früh, gut einen Monat vor Antritt wegen eines bereits eingetretenen Unwetters von der geplanten Reise zurückzutreten - aber nur auf den ersten Blick. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) hat sich nämlich eingehender damit beschäftigt, wie sich Auswirkungen schwerer Unwetter auf die erwartete Erholung und das Recht auf Vertragsrücktritt niederschlagen.
Ein Mann hatte eine Pauschalreise nach Norditalien gebucht, die vom 12.06. bis 19.06.2023 stattfinden sollte. Knapp einen Monat zuvor, genauer gesagt am 16.05.2023, kam es in der Region Bologna jedoch zu heftigen Unwettern mit Überschwemmungen, Erdrutschen und sogar Todesopfern. Straßen waren blockiert, Strände geschlossen, Bakterienverseuchung im Meer und die Gefahr einer Mückenplage bestanden. Daher trat der Reisende am Tag danach vom Vertrag zurück und forderte den bereits gezahlten Reisepreis von rund 2.400 EUR ebenso zurück. Das Amtsgericht gab seiner Klage statt.
Der Reiseveranstalter legte Berufung ein, doch das LG bestätigte die Entscheidung. Das Urteil wurde rechtskräftig. Laut Gericht muss der Reisende keine Rücktrittsentschädigung zahlen, weil außergewöhnliche Umstände die Reise erheblich beeinträchtigten. Entscheidend war, dass bei der Rücktrittserklärung aufgrund der Prognose klar abzusehen war, dass die Gefahren bis zum Reisebeginn weiterhin bestehen werden. Das Risiko, dass ein Reisender vorschnell zurücktrete, bestehe zwar grundsätzlich, doch hier war die Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Beeinträchtigung hoch. Schäden an Straßen, Gebäuden, die Bakterienbelastung des Wassers und mögliche Krankheiten machten eine Reise risikoreich. Dass die Reise später mit anderen Teilnehmern planmäßig stattfand, spielte dabei für das Gericht keine Rolle.
Hinweis: Bei extremen Naturereignissen in der Nähe des Reiseziels können Reisende ohne Entschädigung vom Vertrag zurücktreten. Vorher sollten sie die Situation sorgfältig prüfen. Rücktrittsrechte gelten nur, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung wahrscheinlich ist.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.04.2025 - 2-24 S 75/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten. So einfach könnte der Kern des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zusammengefasst werden. Doch bevor dieses zu seinem Urteil kam, musste es sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen ein Versicherer nach einem telefonischen Antrag vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen anfechten kann, und unter welchen er zur Zahlung verpflichtet ist.
Beim sogenannten Teleunderwriting einer telefonischen Risikoprüfung handelt es sich um einen vertraulichen und effizienten Service, der es Lebensversicherungsgesellschaften ermöglicht, die persönlichen Gesundheitsfragen in einem Antrag telefonisch mit einem ausgebildeten medizinischen Risikoprüfer zu beantworten. So war es auch in diesem Fall. Ein in Mexiko geborener Mann, der in Deutschland lebte, beantragte 2012 telefonisch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Er selbst sprach Spanisch, sein Lebensgefährte übersetzte seinerzeit ins Englische. Der Versicherungsmitarbeiter füllte den Antrag aus und kreuzte bei allen Gesundheitsfragen "nein" an, obwohl der Mann zuvor wegen Rückenproblemen, Depressionen und später auch wegen einer Daumengelenksarthrose ärztlich behandelt worden war. Kurz nach dem Telefonat lag der vorausgefüllte Antrag im Briefkasten, der Mann unterschrieb. Als er fünf Jahre später Berufsunfähigkeit anmeldete, lehnte die Versicherung die Zahlung jedoch ab und erklärte den Rücktritt vom Vertrag wegen angeblich falscher Angaben. Der Mann erklärte, er habe nichts verschwiegen und sei davon ausgegangen, dass nur aktuelle schwere Erkrankungen gemeint seien.
Das Landgericht stellte fest, dass die Versicherung weiterhin Bestand habe, und verurteilte den Versicherer zur Zahlung der Leistungen. Das OLG bestätigte diese Entscheidung und begründete dies damit, dass die Versicherung nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten konnte. Für einen Rücktritt müssen die Fragen während des Telefonats korrekt und verständlich vorgelesen werden, damit der Antragsteller sie sicher zur Kenntnis nimmt. Dies konnte die Versicherung in diesem Fall nicht nachweisen. Und auch eine Täuschungsanfechtung scheiterte, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mann absichtlich falsche Angaben gemacht hatte. Es reichte nicht aus, seine Angaben einfach zu bestreiten; die Versicherung musste einen eindeutigen Beweis vorlegen, was sie nicht konnte.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.06.2025 - 7 U 20/23
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Hier steht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ausnahmsweise mal am Beginn des Falls. Denn der BGH traf bereits eine Entscheidung zur Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank. Ein Verbraucherverein war damit jedoch noch nicht zufrieden, sondern verlangte, dass diese Änderung der AGB auch den betreffenden Bankkunden direkt mitgeteilt werde - und damit kamen hier zuerst das Landgericht (LG) und schließlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ins Spiel.
Eine Bank hatte in ihren AGB eine Klausel aufgeführt, nach der Kunden für Spareinlagen über einem bestimmten Freibetrag ein sogenanntes Verwahr- und Guthabenentgelt zahlen sollten. Diese Klausel hatte der BGH allerdings bereits für unwirksam erklärt. Das zuständige LG verurteilte die Bank auf Klage eines Verbraucherschutzvereins hin dazu, ihre davon betroffenen Kunden innerhalb von vier Wochen individuell über die Unwirksamkeit der Klausel zu informieren.
Auf die Berufung der Bank bestätigte das OLG diese Verpflichtung. Die Bank hatte durch die unwirksame Klausel eine unzulässige Handlung vorgenommen, bei der bei den Kunden der Eindruck entstand, dass das Verwahrentgelt rechtmäßig sei. Diese Fehlvorstellung verschwand nun aber nicht automatisch durch die gerichtliche Entscheidung. Deshalb müsse die Bank die Kunden direkt informieren - entweder per Post oder per E-Mail. Dabei dürfen nur die Kunden angeschrieben werden, deren Verträge die strittige Klausel enthielten und die klassische unbefristete Spareinlagen unterhielten. Erst diese direkte Information stelle sicher, dass die Kunden die Nachricht auch tatsächlich wahrnähmen, was besonders für ältere Kunden wichtig sei, die im Onlinebanking nicht so sattelfest sind. Die Bank habe daher nach Erhalt der Liste mit betroffenen Kunden zwei Monate Zeit, die individualisierten Schreiben zu versenden.
Hinweis: Banken müssen Kunden aktiv informieren, wenn AGB-Klauseln unwirksam sind. Ein bloßes Einstellen der Information auf der Website reicht nicht aus. Auch ältere Kunden sollen so direkt erreicht werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.06.2025 - 3 U 286/22
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(aus: Ausgabe 10/2025)